Wo hört gesellschaftliche Ungerechtigkeit auf und wo fängt soziale Gerechtigkeit an? Wie vielfältig das gedeutet werden kann, zeigte sich beim SPD-Forum im Gasthaus Post in Neumarkt-St.Veit.
Neumarkt-St.Veit - SPD-Bezirkstagskandidat Ludwig Spirkl plädierte für "Chancengleichheit in der Ausbildung" und forderte in Sachen Mindestlohn ein "kurzes, knackiges Gesetz". Es sei eine Schande, dass tausende in Deutschland Vollzeit arbeiteten und trotzdem vom Sozialamt unterstützt werden müssten. Günter Zellner, Regionsvorsitzender des DGB, nannte dazu Zahlen für den Landkreis Mühldorf: Rund 700 Ergänzer seien hier erfasst, weiterhin befinden sich 1000 Arbeitnehmer in Zeitarbeit, 11000 üben Minijobs aus. Diese Situation
betitelte Zellner als "Zerbröselung des deutschen Arbeitsmarktes". Zur Pflegesituation in Deutschland bezeichnete es Spirkl "eine Schande", dass für viele ältere Menschen eine kompetente Pflege in Alten- und Pflegeheimen nicht zu finanzieren sei. Er kritisierte den Mangel an Pflegekräften und die Tatsache, dass sich in diesem Bereich die jungen Leute die Ausbildung selber zu finanzieren hätten.
Annette Heidrich, Landtagskandidatin der SPD und Tagesmutter berichtete aus ihrem Berufsalltag. Für die vierfache Mutter sei es eine "erschreckende Vorstellung", dass sich viele Paare heute die Frage stellen müssten, ob sie sich ein Kind überhaupt noch leisten können. Heidrich plädierte für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und übte Kritik an Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, denn "von da kommt nichts in dieser Richtung". Auch beim Betreuungsgeld könne nicht von sozialer Gerechtigkeit die Rede sein. Man könne nicht mit Milliarden den Ausbau von Kinderkrippen vorantreiben und dann mit einem solchen Gesetz Kinder aus sozialen Brennpunkten aus eben diesen fernhalten.
Josef Ascher, Kreisgeschäftsführer des Sozialverbands VdK, trug Zahlen und Fakten zum Rentenniveau bei. Er verwies darauf, dass sich immer mehr Rentner mit Nebenjobs die Rente aufbessern, weil "sie es müssen." Ein Sozialstaat müsse dafür sorgen, dass "Menschen die ihr Leben lang gearbeitet haben, auch von ihrer Rente leben könnten." Er forderte einen Stopp der Rentenniveau-Absenkung bei 50 Prozent.
Abschließend ging Lother Kunz von der Arbeiterwohlfahrt auf "Armut durch Pflege" ein. Im Landkreis kämen auf 1000 Einwohner 28 Pflegefälle. Rund 68 Prozent davon würden zu Hause gepflegt. Kunz kritisierte das Seniorenpolitische Konzept des Landkreises und das geringe Angebot für Senioren in den Städten und Gemeinden. Ein Zuhörer schilderte in der Diskussion seine Sicht von sozialer Ungerechtigkeit. "Früher sind wir auf die Straßen gegangen", kritisierte er die "Schicksalsergebenheit der Deutschen". Auch er gehe Vollzeit arbeiten, dennoch reiche es "hinten und vorne nicht." An Kinder sei für ihn und seine Verlobte nicht zu denken. Tenor: Wo kein Mindestlohn, da keine sichere Basis für Familie und Zukunft, und wo diese Basis fehlt, da ist der Weg zur Altersarmut nicht mehr weit. alx
(Bericht OVB vom 5.3.2013)