Zwei Kisten voll mit noch offenen Wohnungsgesuchen hat Annette Heidrich in ihrem Büro. Auch wenn der Markt zunehmend abgegrast ist, will sie ohne Abstriche weitermachen. Foto: Kleiner 74 Unterkünfte hat das BRK seit Jahresanfang an Asylbewerber vermittelt – Jetzt wollen sie sich an die Arbeitssuche wagen
Altötting. Jung, männlich, alleinstehend und aus Afrika? "Da wird’s schwierig", weiß Annette Heidrich. Da gerät dann auch die rheinische Frohnatur an ihre Grenzen. Ansonsten aber können die 49-jährige Burgkirchnerin und ihre "Auftraggeber" eine erfolgreiche Zwischenbilanz ziehen. So erfolgreich, dass diese Woche auch hoher Besuch aus München nur staunen konnte.
Seit Jahresbeginn ist Annette Heidrich im Auftrag des BRK damit beschäftigt, für anerkannte Flüchtlinge eine Wohnung zu suchen. Haben die Neuankömmlinge einen offiziellen Status, müssen sie theoretisch raus aus den Unterkünften, die ihnen zuvor der Staat gestellt hat. Doch wohin? Eine eigene Wohnung finden? Ohne Deutschkenntnisse? Als absolute Fremde im Land? Ein Unterfangen nahe an der Unmöglichkeit.
Schon im vergangenen Jahr hatten die Bürgermeister deswegen Alarm geschlagen. Wären doch sie es, die im Fall der Obdachlosigkeit für die Flüchtlinge sorgen müssten. Ihrem Vorschlag aber, auf Landkreisebene eine Stelle einzurichten, erteilte Landrat Erwin Schneider damals eine klare Abfuhr – weil er den Landkreis dafür nicht zuständig sah und weil er deutsche Wohnungssuchende nicht benachteiligen wollte. Diese müssten schließlich auch ohne Hilfe zurecht kommen, argumentierte Schneider. Letztlich einigte man sich darauf, dass der Kreis Geld zur Verfügung stellt und sich das BRK des Problems annimmt.
Seitdem ist Annette Heidrich am Werk. Sie durchstöbert nicht nur Inserate. Sie hält auch draußen die Augen offen. Entdeckt oder hört sie von einem Leerstand, spricht sie die Besitzer an. Und das oft mit Erfolg: "Etwa ein Drittel der Wohnungen bekomme ich", schätzt sie. Angesichts vieler Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen und Hartz-IV-Empfängern eine durchaus stattliche Zahl. "Ein weiteres Drittel sagt, dass sie nicht an Leute ohne eigenes Einkommen vermieten, das letzte Drittel will generell nicht an Ausländer vermieten", erzählt Heidrich.
50 vermittelte Wohnungen bis Jahresende hatte BRK-Direktor Josef Jung Annette Heidrich im Januar als Wunschvorstellung mit auf den Weg gegeben. Jetzt, drei Monate vor Jahresende, liegt die Burgkirchnerin bereits bei 74. "57 Wohnungen, sechs Häuser, elf Zimmer", rechnet sie vor. Mehr als 200 Flüchtlingen hat sie auf diese Weise zu eigenen vier Wänden verholfen. Und damit auch die Situation in den vom Landkreis angemieteten Unterkünften entspannt – schließlich gelten anerkannte Asylbewerber dort bislang als "Fehlbeleger" und müssten eigentlich raus aus den Erstunterkünften. Doch einfach auf die Straße setzen will sie der Landkreis auch nicht.
Dass Heidrich erfolgreich vermitteln kann, hat sie auch einer umtriebigen Hintergrundarbeit zu verdanken: dem Landkreis, der das Projekt finanziert, und der breiten Vernetzung des Roten Kreuzes. Sei es, dass ihr Büro nur einen Katzensprung von denen der anderen Migrationsverantwortlichen beim BRK entfernt ist, oder auch, dass sie über die Helferkreise bestens über die Lage vor Ort informiert wird.
Dazu kommt, dass Annette Heidrich nach dem Vermitteln einer Wohnung nicht einfach einen Schlussstrich zieht. Schon zuvor wählt sie aus, welcher Flüchtling in welche Wohnung passen könnte. "Eine streng muslimisch gekleidete Frau in einem konservativ christlichen Umfeld – das könnte problematisch werden", erklärt sie.
Auch nach erfolgreicher Vermittlung hält sie Kontakt, sowohl zu den Asylbewerbern als auch zu den Vermietern. Sie kümmert sich darum, dass die Neubewohner für den Fall der Fälle eine Haftpflichtversicherung haben, dass sie übers Mülltrennen aufgeklärt werden und dass sie ihre Stromrechnung pünktlich zahlen. Das alles helfe, Vorbehalte abzubauen. Und es führe dazu, dass es bislang noch kein einziges Mal größere Probleme gegeben habe, sagt sie.
"Beispielhaft" sei diese Arbeit, lobte diese Woche denn auch BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer, die sich bei Heidrich, BRK-Kreischef Josef Jung, Einrichtungsleiter Bastian Höcketstaller und Abteilungsleiter Fritz Stinglwagner vom Landratsamt über die erfolgreiche Kooperation informieren ließ. Einmal mehr zeige der Landkreis, dass er trotz seiner geringen Größe "unheimlich leuchtet", lobte Meyer in Altötting.
Dabei ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Das BRK hat bereits den nächsten Schritt ins Auge gefasst: die Jobsuche. Auch dafür soll eine Fachkraft eingestellt werden – sofern die "Aktion Mensch" die Stelle fördert. Schon zum Jahreswechsel könnte es losgehen.
Und auch bei der Wohnungsvermittlung ist kein Ende in Sicht. Auch wenn sie feststellt habe, dass der Markt "mehr und mehr abgegrast ist", will Annette Heidrich weitermachen. Schließlich hat sich aktuell noch mehr als 230 unvermittelte Asylbewerber auf ihrer Liste.
- ckl